Notenbanken sind sich einig: Zinsen steigen weiter

Diese Woche waren die Augen gespannt auf die beiden großen Notenbanken der USA und der Eurozone gerichtet, da wichtige Entscheidungen zu einer weiteren Anhebung der Leitlinien und hin zu einer strafferen Geldpolitik getroffen wurden. Die US-Notenbank Fed hatte am Mittwoch den Leitzins um 0,5 auf 4,5 Prozent erhöht. Die EZB und die SNB setzten gestern einen Schritt in gleicher Höhe nach oben. Somit liegt der Leitzins in der Eurozone bei 2,5 Prozent und in der Schweiz bei 1 Prozent.

Das Jahr 2022 ist weltweit durch explosionshaft angestiegene Preisentwicklungen und der daraus folgenden Zinswende gekennzeichnet. Nach einer langen Phase niederer Zinsen hat die Fed (Federal Reserve) im März als eine der ersten Notenbanken weltweit schon mit dem Ende des Niedrigzinszyklus begonnen. Es folgten mehrere Zinsschritte nach oben, die zusätzlich zur weltweiten Dollarstärke führten. Waren anfänglich die Zinsschritte der Fed noch vorsichtig, so folgten im Herbst dann viele größere Anhebungen um je 0,75%. 

Die seit Jahren weltweit anhaltende Null- oder Beinahe Zinspolitik, welche durch dauernde deflationäre Tendenzen beflügelt wurde, ist seit dem durch die Ukrainekrise verursachten Anstieg der Energiepreise weltweit vom Tisch: Die Zentralbanken aller Industrienationen haben 2022 ihre Leitzinsen erhöht und die Geldmengenpolitik zurückgefahren, um den Inflationsdruck etwas auszubremsen. Alle Notenbanken der Welt haben mehr oder weniger implizit ein mittelfristiges Inflationsziel von knapp unter 2 Prozent definiert. Dieser ist derzeit weit überschritten. Daher agieren auch alle Notenbanken überall restriktiv, auch wenn das absolute Leitzinsniveau von vielen anderen Faktoren abhängt, wie Solidität des Finanzsystems, Staatsverschuldung, Wirtschaftsentwicklung, Arbeitsmarkt und Handelswert der jeweiligen Währung. 

Was hat sich in Europa getan?

In Europa hielt im Unterschied dazu die Nullzinsphase bis Juli an. Zu groß war die Sorge vor einer anstehenden Rezession oder den Folgen von Zinserhöhungen auf die Staatsbilanzen. Doch auch hier verlor die Notenbank ab Juli die Geduld und startete nach Ankündigung von sinkenden Interventionen am Markt für Staatsanleihen und der Rückführung von Liquiditätsfazilitäten für die Banken mit einer beherzten Zinsanhebungspolitik. Im Vergleich dazu war das Leitzinsniveau in den USA bis dahin schon bei 1,75% angekommen.

War in den Sommermonaten durch die sinkende Energieversorgung des Westens durch Russland die Sorge vor einer Energiekrise in den Vordergrund gerückt, was die Preise für Erdgas und Diesel und die Nachfrage nach Dollar durch die Decke trieb, so sorgte auch die aggressive Zinspolitik der US Notenbank in Folge für weiterhin starke Dollarkäufe. Sogenannte Arbitrageure verglichen das Zinsniveau in den USA mit jenem in Europa und kamen zum Schluss, dass Amerikas Anleihen mehr brachten als europäische. Zudem führte auch die Sorge vor einer Ausuferung des Ukrainekonflikts zu einer Flucht von europäischen Kapitalien in den sicheren Hafen Amerika. Aber auch andere Länder mussten nun viele USD zukaufen, um ihre Energierechnungen begleichen zu können. Japans Währung schmiere in dieser Lage regelrecht ab, da die Bank of Japan, im Unterschied zu den anderen Notenbank der westlichen Welt aufgrund der extrem hohen Staatsverschuldung in Japan keinerlei Anstanden machte, ihre Nullzinspolitik aufzugeben. Anderseits waren Länder, wie Indien gezwungen, ihre Devisenreserven anzuzapfen, um der Nachfrage nach USD zu begegnen, und die eigene Währung nicht ganz zu stark fallen zu lassen. Auch das britische Pfund blieb nicht unversehrt, sondern ist aufgrund der ausufernden Dollarnachfrage auf den niedrigsten Stand seit 1971 gefallen. 

Die EZB Zinspolitik hatte natürlich auch den Außenkurs des Euro stets im Fokus, da eine Euroschwäche automatisch auch höhere Importpreise und dadurch einen höheren Inflationsdruck nach sich zieht. Da sich nun die Euroschwäche etwas verflüchtigt hat, ist auch dieser Inflationsdruck gesunken. Daher ist davon auszugehen, dass nach dem letzten Zinsschritt die EZB etwas in Wartestellung übergeht, um zu verstehen, wie sich die wirtschaftliche Lage darstellt. Da die Weiterreichung der höheren Zinsen an die Kreditkunden mit einiger Verspätung erfolgt, da zudem auch die Kostenpreisspirale in den kommenden Monaten noch nachwirken wird, kann der Kaufkraftverlust bei den Verbrauchern auch zu einem starken Einbruch der Wirtschaftslage im kommenden Jahr führen. Angesichts vieler konjunkturfördernder Maßnahmen, die auch die Nachhaltigkeit fördern sollen, ist derzeit schwer einzuschätzen, ob die Zinsanhebung der Fed und EZB bereits ausreicht, um die Preisentwicklung 2023 so weit sinken zu lassen, um weitere Zinsschritte unnötig erscheinen zu lassen. Daher ist wohl bis auf Weiteres keine weitere Zinsanhebung weder jen- noch diesseits des Atlantiks zu erwarten.

Was tut sich in der Schweiz?

Auch die Schweiz wurde vom weltweiten Energietsunami getroffen. Die geopolitischen Unsicherheiten haben dazu geführt, dass die Devisenreserven der Schweiz letzthin so schnell gefallen sind, wie noch nie in den letzten 10 Jahren. Die Kapitalflucht der reichen Russen welche sich der Schweiz als Fluchtburg ihrer illegalen Geldreserven bedienten, und welche sich in der Schweiz nicht mehr sicher fühlen, da diese viele Embargomaßnahmen der EU mitträgt, der steigende Dollarbedarf der weltweit größten Rohstoffhandelsfirmen Vitol, Trafigura, Glencor, Gunvor und Mecuria, die sämtliche von der Schweiz aus operieren (viele davon in russischer Hand), der sukzessive Abstieg Londons nach dem Brexit aus dem Weltfinanzsystem, der viele Investmenthäuser zu einer Relokalisierung von Assets weg von der Schweiz führte, und die Zinsanhebung der anderen Währungshüter hat dazu geführt, dass die Schweizer Notenbank nicht mehr die Notwendigkeit sah, ihre negativen Leitzinsen beizubehalten, um einen zu hohen Zufluss an fremden Kapital und dadurch bedingt einem weiteren Anstieg des Schweizer Franken zu begegnen. Daher hat die SNB 2022 die Leitzinsen ebenfalls schon zweimal angehoben und nun damit auch den positiven Bereich erreicht. Allerdings liegt das absolute Niveau der Schweizer Leitzinsen noch weit unter jenem der USA und der Eurozone.

Prognosen für das kommende Jahr:

Die US-Notenbank ist für Hyperaktivismus bekannt und reagiert zumeist hinter der Konjunkturkurve. Dies bedeutet, dass sie oft Akzente setzt, wenn der Markt sich bereits zu beruhigen beginnt. Damit ist ein weiterer Zinsschritt in den USA Richtung 4,75-5% nicht auszuschließen. Es ist angesichts der Frühindikatoren eher davon auszugehen, dass die Konjunktur im ersten Halbjahr 2023 stark leiden wird. Daher kann man nach einer monatelangen Stillhaltedauer wohl eher mit sinkenden Leitzinsen rechnen, insbesondere wenn die Inflation, wie erwartet wieder stark sinken wird.

Die EZB ihrerseits sieht mit Argwohn auf die Situation und ist sich eher der Langzeitfolgen von Zinsschritten bewusst. Daher tendiert die EZB wohl eher im Jahr 2023 zu einer generellen Stillhalteposition. Zinssenkungen am Ende des Jahres sind hierbei auf jeden Fall eher zu erwarten, als weitere Zinsanhebungen. Sobald sich die Energiepreisspirale wieder ab März 2023 abschwächt, ist auch der Hauptgrund für weitere Zinsanhebungen ausgestanden.

Wichtig ist auch hier zu unterscheiden, dass Inflation nicht gleich Inflation ist:

Die Inflationserhebung geht von einem Standardkorb an Waren eines durchschnittlichen lohnabhängigen Haushaltes aus. Die einzelnen Komponenten bewegen sich hierbei unterschiedlich. Doch die Inflationstreiber können größtenteils auf zwei Faktoren zurückgeführt werden: auf einen Nachfrageüberhang, wenn die Wirtschaft einfach zu schnell Nachfrage generiert. Dies passiert, wenn Menschen aufgrund von steuerlichen Anreizen oder auch wegen eines allgemeinen Optimismus Übernachfrage generieren, die zu Lieferengpässen führt. Dann gibt es noch die angebotsgetriebene Inflation, welche durch einen plötzlichen Lieferstopp eines wichtigen Gutes ausgelöst wird. Diese erleben wir derzeit wegen der durch den Ukrainekrieg ausgelösten Energieknappheit in der westlichen Welt. Auch die steten Wetterumbilde, die dem Lebensmittelangebot zusetzen, sind eine solche angebotsgetriebene Inflation. Während ersterer mit Zinsschritten der EZB begegnet werden kann, hat die EZB auf zweitere Inflation kaum Auswirkungen, da die Ursachen hierfür weltweiter Natur sind und nicht nur auf einen einzigen Währungsraum beschränkt bleiben.

Auf was können wir uns in Südtirol einstellen?

Martin von Malfèr von der Raiffeisen Landesbank, weist in Bezug auf die aktuellen geldpolitischen Maßnahmen und Entwicklungen darauf hin, dass wir uns immer noch in einem niedrigen Zinsumfeld befinden. Im Juni 1980 zahlte man rund 9,5 Prozent Zinsen für einen Immobilienkredit. Vor 20 Jahren, als der Euro eingeführt wurde, lag der Leitzins bei drei Prozent. Die Zeit bis heute war geprägt von höheren oder tieferen Zinsphasen, was wahrscheinlich auch in der Zukunft so bleiben wird. Leitzinsen von 2,5% oder auch 4% bei einem Preisanstieg von 10% wirken immer noch nicht extrem restriktiv. Daher ist Schuldenmachen in einer solchen Phase eher positiv zu werten, wird ein Teil der Schulden durch die hohe Preisentwertung annulliert.

Die Bauwirtschaft wird durch die steigenden Zinsen stärker betroffen sein als andere Sektoren. Nun bleibt vor allem abzuwarten, wie sich die Inflation entwickelt. Wird diese geringer, so wird sich auch die Zinspolitik etwas beruhigen.

 

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