
Herr Knoll, Sie wurden als Mitglied des Verwaltungsrates mit dem Thema Nachhaltigkeit betraut. Was sind Ihre Aufgaben und wie wurde die Nachhaltigkeit in der Bank verankert?
Der Verwaltungsrat nimmt in der Bank die aktive strategische und lenkende Rolle ein und wenn wir beim Thema Nachhaltigkeit vorankommen wollen, ist es essenziell, dass es auch hier verankert und angesiedelt ist. So wurde im Jahr 2023 in der Bank eine eigene Funktionseinheit „Nachhaltigkeit“ geschaffen, weiters gibt es das abteilungsübergreifende ESG-/Nachhaltigkeits-Gremium wo sich drei Verwaltungsräte zusammen mit den Mitarbeitern der einzelnen Fachabteilungen über Themen der Nachhaltigkeit und deren Umsetzung beraten. Aufgrund dieser strukturellen Maßnahmen ist die Nachhaltigkeit ein fester Bestandteil der Ablauf- und Aufbauorganisation der Bank geworden. Konkret geht es in meiner Funktion gemeinsam mit dem ESG-Gremium darum, sämtliche Initiativen und Maßnahmen zu koordinieren, und das Thema Nachhaltigkeit von der Strategie bis zur operativen Umsetzung auf den verschiedenen Produkt- und Funktionsebenen zu begleiten. Es soll eine Kultur der Nachhaltigkeit geschaffen werden, die die Mitarbeiter auf jeder Ebene der Bank miteinbezieht.
Wieso sollen gerade die Banken bei der Nachhaltigkeit bzw. der ökologischen Transformation eine wichtige Rolle spielen? Welches sind hier die größten Herausforderungen?
Im Jahr 2019 wurde von der EU-Kommission der sogenannte Green Deal beschlossen, mit dem Ziel die EU bis 2050 zu einem klimaneutralen Kontinent zu machen. Die Transformation bzw. der Umbau der Unternehmen und der Wirtschaft im Allgemeinen kostet viel Geld und hier kommen die Banken als Kreditgeber mit ins Spiel. Dank nachhaltiger Finanzierungen können Investitionen in Umwelt- und Klimaschutz oder Energieeffizienz erheblich beschleunigt und Unternehmen in ihrer Transformation begleitet werden. Die größte Herausforderung für die Banken ist wohl die Handhabung des damit einhergehenden Risikos: Durch den Klimawandel entstehen nämlich ganz neue Risiken für Wirtschaft, Gesellschaft und damit ganz konkret auch für einzelne Unternehmen. Für die Banken hat dies als Kreditgeber unmittelbare Konsequenzen. Deswegen haben Banken ein starkes Interesse, solche ESG-Risiken – wie alle anderen Risikotreiber – im Rahmen ihres Risikomanagements im Griff zu haben. Sie streben somit ein Kreditportfolio an, das so grün wie möglich ist. Die Identifizierung und Bewertung von Umweltrisiken in Kreditportfolios sind jedoch komplex und leider mangelt es derzeit noch an qualitativ hochwertigen Daten zu den Umwelt- und sozialen Auswirkungen von Unternehmen und Projekten. Eine weitere große Herausforderung stellt die regulatorische Unsicherheit und die immer neuen Offenlegungspflichten dar, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten kostet viel Zeit und Geld.
Sie sprechen hier vor allem die Geschäftsbeziehung mit Unternehmen und Kreditnehmern an. Welches sind hingegen die Herausforderungen im Privatkundengeschäft?
Bei Privatkunden ist das Thema Nachhaltigkeit vor allem bei Finanzprodukten relevant: Der Kunde erwartet heute, dass die Bank ihm nachhaltige Produkte anbietet. Die Herausforderung besteht hier darin, dem Anleger aufgrund seines Risikoprofils, Anlagehorizont und jetzt neu, auch im Hinblick auf den gewünschten Nachhaltigkeitsgrad (Pflicht zur „Nachhaltigkeitspräfereinzabfrage“ aufgrund der Mifid II Regelung) die für seine Bedürfnisse passenden Produkte anzubieten. Die Bank hat hier die Aufgaben durch Information das Bewusstsein zu erhöhen, denn vielfach ist dem Privatanleger nicht bewusst, dass seine finanziellen Entscheidungen sehr wohl Auswirkungen auf die Umwelt haben.
Eine noch größere Herausforderung liegt meiner Ansicht nach darin, dass viele Kunden entweder nicht bereit sind, sich eingehender mit dem Thema Geldanlage zu beschäftigen, oder es schlicht an finanzieller Bildung mangelt. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass Investitionen in Aktien aufgrund ihres als zu riskant empfundenen Charakters oft von vornherein aus dem potenziellen Anlageuniversum ausgeschlossen werden.
Sie wollen damit sagen, dass Kunden riskantere Anlageformen wie Aktien kaufen sollen?
Ein vernünftiger Vermögensaufbau erfordert zwangsläufig die Berücksichtigung von Aktien als Anlegeform, da diese sich über die Jahre hinweg als rentabler erwiesen haben und besseren Inflationsschutz bieten als ein rein auf Anleihen und Festgeld/Sparbuch basierendes Wertpapierdepot. Ich will damit nicht sagen, dass Sie Einzeltitel kaufen sollten, sondern vielmehr darauf hinweisen, dass es sinnvoll wäre, zumindest einen Teil ihres hart verdienten Geldes in einen breit diversifizierten Index oder Aktienfond zu investieren.
Zurück zur Nachhaltigkeit: warum glauben Sie, ist die Raiffeisenkasse Bozen nachhaltiger als andere Banken?
Zuerst mal hat die Raiffeisenkasse Bozen als Genossenschaftsbank hier bereits gute Karten, da das Thema Nachhaltigkeit indirekt bereits im Statut und Geschäftsmodell verankert ist, ich denke z.B. an die Förderung der lokalen Kreisläufe, des Gemeinwohls und der Mitglieder usw. Wir haben daher zu diesem Thema einen anderen Zugang und andere Voraussetzungen als eine rein gewinnorientierte Bank.
Was sind Ihre Wünsche in Bezug auf Nachhaltigkeit, was macht Ihnen Hoffnung?
Natürlich hoffe ich, dass wir die Klimaziele des Pariser Abkommens von 2015 (nämlich eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf maximal 1,5 Grad bis max. 2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter) erreichen können. Dies erfordert in erster Linie, dass die Politik verbindliche und unpopuläre Entscheidungen trifft. Auf politischer Ebene wünsche ich mir daher anstelle von Populismus, Ideologie und kurzfristigem Denken eine langfristig orientierte und sachliche Realpolitik. Die Politik muss die Menschen zur Verantwortung ziehen, sie als mündige Bürger ansprechen und ihre Bedenken ernst nehmen, den Mut haben, anzuerkennen, dass wir vor großen Herausforderungen stehen und Verantwortung übernehmen müssen. Auf individueller Ebene wünsche ich mir, dass wir das Negative und das Jammern beiseitelegen und uns aktiv engagieren. Dies ist herausfordernd, da wir täglich mit negativen Nachrichten über Krieg, Verschuldung, Klimawandel usw. konfrontiert sind und allzu leicht dem Gefühl der Ohnmacht erliegen. Gleichzeitig ist Bequemlichkeit kein Menschenrecht; jeder Einzelne ist gefordert, sich zusammenzureißen und seinen Beitrag zu leisten, auch wenn es ungemütlich sein mag. Die Notwendigkeit der Zumutung. Wir werden verzichten müssen und ja, es ist eine große Zumutung, aber nur so kriegen wir es hin. Hier passt der Spruch von F.W. Raiffeisen: „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele“.