Das Sammlungskonzept

Der Kunstbeirat*

„Kunst ist immer noch der einzige Ort auf der Welt, wo du das machen kannst, was du möchtest, vorausgesetzt man nimmt in Kauf, dass niemand so etwas haben will.“

Grace Hartigan Lügen

Und wohl auch, um dieses Zitat der amerikanischen Künstlerin Grace Hartigan Lügen zu strafen, hat die Raiffeisen Landesbank Südtirol im Jahre 2010 beschlossen, eine eigene Kunstsammlung aufzubauen und damit junge Künstlerinnen und Künstler aus dem Gesamttirolerraum zu fördern und zu unterstützen. Außerdem erweitert die Bank ihr Tätigkeitsfeld und lässt sich auf den Dialog mit junger Gegenwartskunst ein. Indem das gesamte Haus, von der Schalterhalle bis hin zu den Büros, stetig mit den angekauften Werken gefüllt ist, wird der zeitgenössischen Kunst große Sichtbarkeit verliehen, und sowohl Mitarbeiter als auch Kunden haben die Gelegenheit, sich mit ihr auseinander zu setzen und sich an ihr zu erfreuen. Außerdem kann die Bank persönliche Kontakte zu den Künstlerinnen und Künstlern pflegen und erhält Hintergrundinformationen direkt aus erster Hand.

Für die Bank selbst stellt der Ankauf von Gegenwartskunst auch eine „andere“ Investitionsform dar. Das Phänomen des Kunstkaufens als Geldanlage lässt sich weit in die Zeit zurückverfolgen, wenn auch natürlich nicht im Sinne heutiger systematischer Strategien. Reiche Kaufleute als Vorläufer der heutigen Banken haben immer schon Künstler und Künstlerinnen und deren Schaffen unterstützt, man denke zum Beispiel an Albrecht Dürer und Hans Holbein, die beide die Fugger porträtierten, an Sandro Botticellis Meisterwerke für die Medici oder an die Sammelleidenschaft der Bankiersfamilie Rothschild. Natürlich spielt der religiöse Aspekt heute keine Rolle mehr; früher galt das Verleihen von Geld als Sünde, man leistete durch die Förderung von Kunst Abbitte dafür.

Als Kunstbeirat der Raiffeisen Landesbank durften wir die überaus schöne Aufgabe übernehmen, an der Entstehung dieser Sammlung mitzuwirken und die Bank in ihrem Engagement der Künstler/innenförderung unterstützen. Es war uns ein Anliegen, eine Sammlung mit einem klaren Profil aufzubauen. Wir können natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, aber es ist unser Bestreben, eine Balance zwischen Traditionellem und Zukunftsweisendem, zwischen Tafelbild, Skulptur und Objekt, zwischen Zeichnung und Fotografie zu gewährleisten. Einziges Kriterium bei all unseren Überlegungen und Diskussionen war der Aspekt der Qualität und Einzigartigkeit der betreffenden Arbeit und deren Umsetzung.

Wie sind wir nun an diese Aufgabe der Grundsteinlegung für die Sammlung herangegangen? Von Anfang an stand als Wunsch der Bank fest, junge, innovative Kunst aus Süd-, Nord- und Osttirol anzukaufen, um der heimischen Kunstszene eine möglichst breite Plattform zu bieten. Daher lag unser Augenmerk darauf, die Sammlung beginnend mit dem Status Quo der Jetztzeit aufzubauen, um perspektivisch nach vorne blicken zu können. Denn Teil des Konzeptes ist es auch, Künstlerinnen und Künstler längerfristig zu begleiten, um größere Werkkomplexe zusammenführen zu können. Um in der Sammlung auch einen Spiegel der aktuellen Gegenwartskunst aufzuzeigen, ist es uns wichtig, uns nicht auf spezielle künstlerische Medien zu beschränken, sondern Werke in unterschiedlichen Techniken vorzuschlagen. Die jüngere Künstlergeneration arbeitet kaum noch in nur einem einzigen Medium, sondern lotet die zu bearbeitenden Themen multiperspektivisch und dementsprechend multimedial aus. Es ist uns also ein Anliegen, pointiert die Bandbreite der Möglichkeiten aufzuzeigen, in die die Sammlung in Zukunft expandieren kann. Weiters legen wir unseren Fokus auf die innovative und originelle Umsetzung künstlerischer Ideen sowie auf deren konsequente Weiterentwicklung.

Inhaltlich werden verschiedene aktuelle Thematiken der Gegenwart aufgegriffen, die als Hinweise auf die dringendsten Anliegen unserer Zeit gesehen werden können. Dabei lassen sich natürlich auch vielfältige Querverbindungen zwischen den einzelnen künstlerischen Positionen ziehen.

Einmal sind es aktuelle Gesellschaftsfragen, die die Künstlerinnen und Künstler immer wieder mit ihrer eigenen Biografie, ihrer Herkunft, dem Alltag, mit Kindheitserinnerungen oder Genderanliegen in Verbindung bringen.

Fragen zu Natur, Heimat und Tourismus werden gleich von mehreren Positionen aus beleuchtet. Diese künstlerischen Statements können vor dem Hintergrund der Globalisierung gelesen werden, die Wünsche nach Verortung und die Suche nach der eigenen Identität auslöst, wobei zugleich gesellschaftspolitische Fragen mit ins Spiel kommen.

Einen weiteren Themenkomplex bilden Arbeiten, die sich mit der Grenze zwischen Fiktion und Realität beschäftigen, und die Zukunftsvisionen und utopischen Perspektiven für den Fortbestand der Menschheit und unseres Planeten entwerfen.

Auf das Bankwesen und seinen Standort wird noch einmal spezifisch durch die jährliche Vergabe eines Förderpreises eingegangen. Jeweils eine Künstlerin, ein Künstler wird beauftragt, eine In-situ-Arbeit anzufertigen, die nicht nur inhaltlich Bezug nimmt, sondern eigens für den Ort erdacht und umgesetzt wird.

Auch die jährlich von der Bank an ihre Kunden verschickte Weihnachtskarte wird, gemäß dem Konzept der Kunstförderung, seit dem Jahr 2012 von einer Künstlerin oder einem Künstler gestaltet, und der Originalentwurf findet ebenfalls Eingang in die Sammlung.

Als Zukunftsvision für die Sammlung der Raiffeisen Landesbank wünschen wir uns einen weiteren Ausbau und viel Resonanz auch von Seiten der Mitarbeiter der Bank und deren Kunden, die in den Schalterräumen die Gelegenheit haben, sich mit aktuellen künstlerischen Positionen auseinanderzusetzen.

 

Der Kunstbeirat

Brigitte Matthias      Lisa Trockner         Günther Dankl

 

 

*Im Foto: v.l. Lisa Trockner, Günther Dankl und Brigitte Matthias