So viel „Frau“ und „Mann“ braucht es für den Beruf

Eine Konstrukteurin, eine Schlosserin, eine Ingenieurin, eine Schuldirektorin und ein Geburtshelfer: das war die diesjährige Runde von Gesprächspartnern, die Donnerstag, 8. März im Rahmen der Brunecker „Frauen.Gespräche“ zusammen mit Judith Steinmair darüber diskutierte, ob es denn typische Männerberufe und typische Frauenberufe nun wirklich gibt oder ob sie vielleicht doch nur eine „Erfindung“ der Gesellschaft sind?

„Ich fühl mich wohl, unter Männern“, so eine der Grundaussagen von Margit Schwärzer. Die junge Schlosserin hat die elterliche Schlosserei in Gais übernommen und hat sich nie die Frage gestellt, ob ihre Berufswahl ein typischer Männerberuf sei. "Gelegentlich sorge ich dann aber schon für eine Überraschung bei Berufskollegen auf Baustellen und bei Kunden, die nicht mit einer Frau an dieser Stelle gerechnet haben. Meine fachliche Kompetenz wurde aber stets respektiert." Ähnlich ergeht es Linda Bachmann. Die 24-jährige Konstrukteurin in der GKN Sinter Metals besitzt sogar privat einen 3D-Drucker. Erste Erfahrungen im Tüfteln und Werkeln sammelte sie bereits als Kind in der Werkstatt ihres Vaters. Ihre Leidenschaft für das Technische hat sie in Folge zu ihrem Beruf gemacht. Dass kurze Hosen oder Röcke aus Sicherheitsgründen bei ihrer Arbeit ein Tabu sind, macht ihr nichts aus. „Das ist eben so. Das ist mein Beruf“, so Bachmann. 
An technischen Bezeichnungen und Begriffen nicht zu übertreffen ist der berufliche Werdegang von Angelika Peer: Elektro- und Informationstechnik, Steuerungssysteme, Regelungstechnik sind nur einige der Schlagwörter, die man normalerweise nicht auf Anhieb mit der Berufswahl einer Frau in Verbindung bringt. „Aber was ist schon normal?“, setzte Peer diesem Argument entgegen. Die gebürtige Olangerin ist mittlerweile als Professorin an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik an der Universität Bozen tätig und verstärkt dort außerdem die Forschungsgruppe für Automation und Robotik. „Geschlechtsstereotype aufzubrechen sollte in der heutigen Zeit eigentlich nichts Besonderes mehr sein“, meinte sie in der Diskussion.

Nichts desto trotz gibt es sie, diese Stereotype, die uns immer wieder in die Geschlechterfalle tappen lassen. Sind sie denn wirklich ein evolutionäres „Übrigbleibsel“ der Steinzeit? Diese Frage von Moderatorin Judith Steinmair konnte Erna Holzer, Direktorin der Mittelschule Ursulinen als pädagogische Expertin verneinen. „Geschlechtsstereotype sind ein Konstrukt der Gesellschaft. Voraussetzungen und Fähigkeiten für verschiedene Fachbereiche wie Mathematik, Informatik, Technik, Soziales, Bildung und Gesundheit sind keine Frage des Geschlechts. Den Beweis dafür lieferte Mirco Rizzi, einziger Mann in der Gesprächsrunde und einer von zwei männlichen Hebammen in Südtirol. Mittlerweile ist Rizzi Studiengangsleiter für Hebammen an der Landesfachhochschule Claudiana. Das Interesse an der Arbeit der Hebamme, aber auch der starke emotionale Aspekt in der Begleitung von Menschen in besonderen Lebensmomenten, veranlasste ihn zu seiner Berufswahl. Erst im späteren Berufsalltag sei ihm bewusst geworden, eigentlich einen typischen Frauenberuf gewählt zu haben.

Typisch Frau oder typisch Mann? Die Klischees sind wohl leider noch nicht ganz aus unseren Köpfen verschwunden. Gesellschaft, Werbung und Industrie leisten ihren Beitrag dazu. Man denke nur an rosarotes LEGO oder rosa Überraschungseier mit passendem Inhalt für Mädchen. Das System in hellblau und rosa wirkt sich eben auch auf die Berufswahl von Männern und Frauen aus und das auf subtilste Art und Weise. Auch nicht zu unterschätzen sind Studien, die besagen, dass 50 % der Berufe „vererbt“ werden, das heißt entweder der Beruf des Vaters oder der der Mutter werden oft unbewusst „automatisch“ übernommen. Und nicht zuletzt spielt es nach wie vor eine Rolle, dass Frauen selbstkritischer mit sich umgehen und einen höheren Anspruch an sich erheben, ihr Ding so perfekt wie möglich zu machen, während Männer ganz einfach davon ausgehen, das Ding zu schaukeln.

Wie die fünf PodiumsteilnehmerInnen dann doch zu einem geschlechtsuntypischen Beruf gekommen sind? Alle waren sich darin einig, dass es die Leidenschaft und das Interesse sind, die bei ihrer Berufswahl im Vordergrund standen. Wichtig ist es auch den Mut zu haben, etwas Untypisches auszuprobieren. Es gilt Angebote anzunehmen und Möglichkeiten zu ergreifen. Zutrauen und Vertrauen sind die Säulen zum Gelingen.

Der Einladung zu den Frauen.Gesprächen folgten beachtlich viele Gäste, darunter auch gar einige Männer. Über den Erfolg und die kurzweilige Diskussion freuten sich die Organisatorinnen der Stadtgemeinde und Stadtbibliothek Bruneck, des Clubs Soroptimist Pustertal und der Raiffeisenkasse Bruneck.